fischgrund

Laputa

so: wie die insel aus eisenerz
mit der spitze nach unten schwebend
durch die kraft eines magnetischen felds
oder: eingeschlossen in ein kristallpendel
und schwingend im taktschlag der zeit
oder: ich bin ein drachenflieger am rand
mit dem summenden drachen über mir
im augen-blick des absprungs
auf dem totpunkt
und
dann!

Ein Wunsch frei

"... ich weiß, dass man Tragödien, wahre Tragödien im Gesicht eines Menschen erkennen kann."
(Grey, bei Mo Hayder)



Schlange

- musste für Projektverwendung gestrichen werden ...

... verschieden

allein gelassen

Unzählige Male hat sie sich verdrückt, aus der Verantwortung gezogen und statt dessen am Telefon unverbindliches Zeug geschwätzt. Jetzt geht nichts mehr, die Tür ist zu; sie hat nach wie vor einen Schlüssel, aber es ist nichts mehr dahinter, hinter der Tür nur noch Leere und letzte Woche eine verirrte Fledermaus. Sie hat die Hintertür aufgerissen und, in die Ecke gedrückt,gewartet, bis das orienterungslose Tier das Weite gefunden hat.
Die Haustür wieder hinter sich zumachen, zweimal herumschließen - im Treppenhaus vertrocknet der Gummibaum; ver weiß, wie viele Fledermäuse noch in den Ecken hängen. Diesmal wird sie nicht telefonieren, es gibt niemanden, mit dem sie reden könnte, aber das leere Haus für drei Wochen Urlaub zurückzulassen riecht mehr nach Flucht und Veranttwortungslosigkeit als je zuvor. Sie wird sich nicht fangen lassen. Vielleicht würde sie sich gern fangen lassen. Aber es ist niemand mehr da, der die Hände ausstreckt.




phantomjucken

dazwischen
bist du
ein verschieden
ich wollte
rückenkratzer
nicht raspel
an der haut

verschieden
dahin
ich kratze
die wunde stelle
ins leere

Ein Mann, ein Fernseher, ein Kaninchen

Auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen ein Mann und ein Kaninchen.
Der Mann schaut einen Film an. Aus dem Fernseher donnert und schrillt es von Trommelwirbeln und Trompetengebrüll. Immer dann, wenn Maschinenpistolen rattern und Querschläger singen, zuckt der Mann zusammen.
Das Kaninchen macht sich nichts daraus. Seit der Mann es zu sich auf das Sofa geholt hat, um nicht so allein zu sein, sitzt es still und wippt mit der Nase.
Wenn sich auf dem Bildschirm zwei Leute küssen, kratzen Geigen dazu. Dann sackt der Mann geduldig in sich zusammen und greift sich ein Sofakissen, um es gegen seine Brust zu drücken. Das Kissen ist ungefähr doppelt so groß wie das Kaninchen.
Die schrillen Obertöne der Geigen gefallen dem Kaninchen nicht. Es mümmelt schneller und hebt ein Ohr in Richtung auf den Fernseher, bis die Leute mit ihrer Küsserei aufhören und wieder Autoreifen quietschen und Maschinenpistolen rattern. Dann legt das Kaninchen die Ohren wieder an und richtet den kastanienbraunen Blick in die nächste Woche. Der Mann aber wacht ruckartig auf und legt das Kissen weg, um gespannt auf den Bildschirm zu starren.

In dem Kasten unter dem Fernseher schnurrt mit rasender Geschwindigkeit eine DVD. In der Mikrowelle dreht sich ein Glasteller, auf dem ein Stück Pizza zum Aufbacken liegt. Der Wasserkocher in der Küche gurgelt vor sich hin. Der Kühlschrank summt. Draußen dreht sich der Mond in aller Ruhe um die Erde und verbirgt seine Rückseite wie immer. Ein sanfter Wind fächelt an den Hauswänden entlang und lässt welke Blätter wirbeln.
All das geschieht, solange die Nase des Kaninchens auf und nieder zuckt, auf und nieder. Manchmal, wenn sie für die Dauer einer Sekunde still steht, steht auch die Welt, und aus der Mündung des Maschinengewehrs kommt ein Zuckerwattewölkchen. Die Pizza in der Mikrowelle bläht sich und platzt, und alle welken Blätter der Herbstnacht kehren plötzlich an die Bäume zurück und hängen herab wie goldbraune Fächer.

Aber das geschieht nur, wenn das Kaninchen aufhört mit der Nase zu wippen. Das Nasenzucken des Kaninchens hält die Welt in Gang.

löschen

es ist eine halbe stunde zeit, dreißig minuten herumzubringen, bis der zug abfährt und draußen regnet es in strömen.

die rolltreppe trägt sie abwärts. der büchertisch steht links, sie lässt ihn stehen, zu hause liegen noch genug ungelesene bücher. sie wendet sich nach rechts und sagt beinahe "guten tag" zu einem lebensgroßen pappmännchen, das sich auf einen baseball stützt und lachend alle weißen zähne zeigt. das ist nicht die welt, nein, nicht die welt. sie selbst kann nur noch mit wenigen zähnen lachen, sie lacht ein viertellachen, zeigt allenfalls eine glänzende fassade aus porzellankronen. sie war lange zeit nicht mit dabei. das leben ist aus ihr gebröckelt. seit kurzem erst kehrt sie schüchtern zurück.

sie wird nichts kaufen. sie hat ohnehin nicht viel geld einstecken, das hat sie nie, wenn sie in die stadt geht, sie ist vernünftig. keine bücher, die regale sind voll. keine kleidung, der schrank ist voll. keine süßigkeiten, sie ist ohnehin zu dick. die schlanke junge frau in knielangen jeanshosen, die stiefel anprobiert, der blankgeputzte kleine hund, die lachenden teenager, die einander bunte klammern ins haar stecken: das ist nicht die welt, sie selbst ist nicht so, sie wird nicht so, nie. auch wenn es ihr einfallen sollte, das bankkonto abzuräumen, das gut gefüllte, und alles zu kaufen, was sie reizt.

nicht die welt. auch die anderen sind nicht so, das bildet sie sich ein, das ist nur schau. darauf fällt sie nicht mehr herein.

jetzt steht sie wieder im erdgeschoss vor der abteilung mit den sonderaktionen, beinahe läuft sie gegen die brötchentheke und erwidert das kichern der verkäuferinnen mit einem zucken der mundwinkel. es gibt halbedelsteinketten in allen variationen, bis zu 50 % reduziert. das zeichen 50 % schwebt über allen tischen und höhlt jeden widerstand aus, die null ist wie ein abgrund, ein riesenloch, das kann sie ohnehin nicht füllen, dazu reichen all die blinkenden bunten ketten auf den tischen nicht aus, die polierte jade, die geäderten onyxe, unschuldig schimmernd gespreizt wie gefallene tropfen; die hämatite, verstohlen und hämisch; die muschelkernketten, die plastik vorzutäuschen suchen, die giftig-verlogenen tigeraugen. sie greift nach einer kette mit geschnitzten fischen, lapis und karneol liegen eiskalt in ihren fingern. an der kette kleben drei preisschilder, sie ist von 129 euro über 89 und 69 euro auf 29,50 euro heruntergesetzt. sie legt die kette um ihren hals. der preis ist ihr egal, sie könnte den zehnfachen bezahlen. warum widerstand? die fische zucken auf ihrer haut, die sich kräuselt in abscheu. sie ist gefangen. ja. jetzt. - die welt.

die rolltreppe trägt sie ins tageslicht, der regen hat aufgehört. autos, bäume, menschen strahlen blankgewaschen. sie strebt dem bahnhof zu, die augen niedergeschlagen. ihre tränen haben keine kraft.

Baumgedanken

"

Bäume sind über jeden Verdacht erhaben. Man kann bekanntlich gut über Bäume reden, zumal wenn es gilt, Wichtigeres, vielleicht Dramatisches zu verschweigen. Das ist zwar angeblich "fast ein Verbrechen", aber ich sehe nicht ein, dass ich an mich selbst die gleiche moralische Messlatte anlegen soll wie ein berühmter Schriftsteller.
Wenn meine Lyrik mal zum Bildungskanon gehört, dann lasse ich mich auch zum Gewissen der Nation machen. Eher nicht.
Und bis dahin richte ich meinen Blick aus luftiger Höhe auf Bäume, wie sie sich auf Hügel und Tal aneinander drängen, in Gruppen zusammengestaucht von riesigen Steinfeldern, die den Berg hinunterstürzen wie Gesteinsmuren, wie die Überreste geschmolzener Gletscher. Oder wie künstlich angelegte Kieswege von Riesenkindern. Die Bäume haben in dieser Landschaft jedenfalls nicht viel zu melden. Sie ringen mühsam um jeden Fleck Erde, den die Steinmasse ihnen übrig gelassen hat. Manche von ihnen, den Bäumen also, erheben sich ein wenig über ihre Umgebung, wie jemand, der inmitten einer Menschenmenge auf einen Schemel steigt, um mehr zu sehen. Früher, als ich noch Popkonzerte besuchte, habe ich mich manchmal auf irgendwas gestellt, um einen Blick auf die Bühne zu erhaschen. Die Bäume suchen vielleicht nach einem Flecken, wo sie mehr Platz haben, aber wenn sie ihn fänden, könnten sie ja sowieso nicht hingehen. Laufende Bäume gibt es nur bei Tolkien, bei Shakespeare immerhin noch laufende Büsche. Bei Martin Andersen Nexö kann man die wahrscheinlichste Version nachlesen: Der liebe Gott hat die Bäume festgetüdert, zur Strafe für ihre Faulheit.
Dabei gibt es sicher Bäume, die gern woandershin gingen, wenn sie nur könnten. Auch darin kannte Brecht sich aus: "Der einsame Baum im Steinfeld muss das Gefühl haben, dass alles umsonst ist. Er hat noch nie einen Baum gesehen. Es gibt keine Bäume." Brecht muss wohl auch am Schafstein gestanden haben, oder an einer ähnlichen Stelle, wo sich das Steinmeer in das Herz des Waldes ergießt, als gälte es, das Grün der Welt zu erwürgen.
Vielleicht hatte Brecht aber auch keine Ahnung von Bäumen und hat nur über sie geschrieben, weil sie auf alles irgendwie passen. Man kann sie gut als Sinnbild hernehmen für die Einsamkeit in einem Steinfeld, oder als unverfängliches Gesprächsthema, wenn man etwas Wichtiges verschweigen will. Das ist schriftstellerische Freiheit, und die Bäume können sich dagegen nicht wehren. Wenn man lange genug hinschaut, merkt man aber, dass sie es durchaus versuchen. Sie wenden die Wipfel um, sie steigen auf Schemel, oder vielmehr nein, sie steigen auf Blasen im Erdreich, um die anderen zu überragen und deutlicher rufen zu können: Hier! Schau her! Mich gab es schon, da warst du noch nicht mal ein Schleimtropfen in der Schöpfung, noch nicht einmal ein Plänchen in Gottes Gefüge! Deine Arme reichen nicht weiter als ein paar Zentimeter weit in die Welt hinein, einen Wirkungskreis von ein paar Metern im Radius hast du, einen Lebensraum von ein paar Jährchen, und noch nicht mal diese winzige Enklave, in der du herumwirtschaftest und die du dein Leben nennst, hältst du in Ordnung. Hast die Hände im Schoß und glotzt über die Weltgeschichte, machst dir Gedanken über Bäume auf Blasen, ohne an die Blasen in deinem eigenen Grund zu denken. Statt Wurzeln zu schlagen, hast du dich in der Luft aufgehängt mit deinen Gedanken, hast Papier beschrieben, Worte geblubbert, statt die Deinen zu suchen und zu stützen, hast du dich freiwillig ins Steinfeld gestellt. Nun geh deiner Wege und lass uns allein.

in trauer (27.4.2007)



bäume
wachsen auf
blasen
wusstest du das?
sie wollen nach oben sie
stecken die köpfe
zusammen
wenden die
wipfel flüstern
vorwurf

und wurzeln
in blasen

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Ich frage mich mal wieder, was sie sich denken, diese Fremden, die mit Telefonstimme sagen: "Wenden Sie sich an das Sekretariat", wenn sie genau wissen, dass das Sekretariat seit Tagen nicht besetzt ist; die sagen: "Kommen Sie mit den Unterlagen vorbei", wenn sie genau wissen, dass vierhundert Kilometer zwischen ihnen und mir liegen; die mit Tonbandstimme ventilieren: "Sie rufen außerhalb der Bürozeiten an, wir sind werktags zwischen neun und zwölf Uhr vormittags erreichbar", wenn es genau zehn Uhr dienstagsvormittags ist, und die abschließend fragen: "Wollen Sie nicht doch bei uns weitermachen?", wenn sie genau wissen, dass genau das nicht geht.
Alles wiederholt sich. Auch der Wunsch zu glauben. Von vorn zu beginnen, unbefangen und neugierig wie einst. Der Zauber ist nicht wiederherstellbar. Im Fernsehen (Avenzio) bekommt einer den Lehrvertrag zum Floristen, weil er den Probestrauß so schön spiralig gebunden hat, dass man ihn kopfunter an einem einzigen Stengel halten konnte, ohne dass er auseinanderfiel. Auch uns hat man gebunden, schön rundherum, und wir sind gefallen. Jeder nach seiner Seite hin. Jeder hat in seiner Art versagt. Um uns herum blühen die Tulpen protzig kerzengerade, läuten ohrenbetäubend die Osterglocken, jeder nimmt den Faden wieder auf und alle sollen es wissen: Wir sind noch am Ball! Wir sind auf Draht! Schlappe Rosen, habe ich in einem Forum gelesen, bringt man wieder in Form, indem man sie erst in brühheißes Wasser, dann in den Kühlschrank legt. Ich habe es versucht mit meinen Geburtstagsrosen im Februar. Sie haben die Köpfe gehoben, fünf Minuten lang, und sie dann um so tiefer gesenkt, jede nach ihrer Seite hin.
Neulich habe ich bei einer Lesung ein Gedicht über eine Kuh gehört, das fast nur aus den Worten "rupf" und "zupf" bestand. Das Publikum war begeistert. Ich habe mir oft gewünscht, mit tiefer Stimme lesen zu können, aus dem Bauch heraus; aber wenn ich es versuche, staut sich der Atem um den Magen herum und der Nacken beginnt zu zittern. Einmal so beginnen können, rupf und zupf. Es geht nicht. Ein Krampf erfasst den Nacken und lässt erst nach, wenn ich den Kopf senke, auf die Brust hängen lasse, tief nach vorne. Verspielt der Anfang.

Bertha

Der Garten ist grau und trostlos, die Wiese von kahlen Stellen durchsetzt, in den Erdlöchern sammeln sich schlammige Pfützen. Das Kaninchen ist bei Wind und Wetter draußen und rupft die kümmerlichen Grashalme ab, scharrt unter dem Zaun oder liegt mit ausgestreckten Hinterbeinen da. Besonders dann, wenn die Sonne sich einen halben Tag lang durch das Grau des nassen Märzhimmels kämpft.

Bertha beobachtet das Kaninchen von einem sicheren Standpunkt aus, hinter der Gardine des Wohnzimmerfensters. Mit seinem weiß und schwarz gefleckten Fell ist das Tier auf der wintermüden Wiese leicht auszumachen. Tagsüber läuft es frei umher; sich unter dem Zaun hindurchzugraben, ist es zu groß. Abends kommt es in einen Hasenstall an der Hauswand. Bertha hat meistens keine Probleme, das Kaninchen einzufangen; es ist handzahm, außerdem nicht mehr jung und schon ein wenig schwerfällig. Seit sein Lebensgefährte, ein schwarzer Kaninchenbock, im Winter starb, ist es noch viel langsamer geworden.

Tagsüber geht Bertha ihrer Arbeit nach: Staub wischen, Teppiche absaugen, das alte Silberbesteck putzen, die Fotos ihrer Enkelkinder anschauen und neu ordnen, die Klaviertastatur abreiben und ein paar Töne anschlagen. Sie lässt sich Zeit dabei. Zwischendurch zieht es sie immer wieder zum Fenster. Von ihrem sicheren Standort hinter der Gardine aus sieht sie dem Kaninchen zu, wie es lange, lange Zeit ausgestreckt auf dem Rasen verharrt. Sie hat versucht, einen neuen Freund für das einsame Tier zu finden. Aber das ist nicht so einfach. Im Tierheim gibt man ihr kein Kaninchen, weil der Nachtstall angeblich zu klein ist. Dass tagsüber der ganze Garten als Auslauf zur Verfügung steht, zählt nicht als Ausgleich. Kaninchenzüchter verlangen hohe Preise für ein junges Männchen und da Bertha nicht züchten will, müsste sie überdies eine Kastration bezahlen. Und was hat es für einen Sinn, der alten Kaninchendame noch einen Partner zu besorgen? Sie wird bald sterben und dann steht Bertha wieder vor dem gleichen Problem.

Lange Zeit steht sie hinter der Gardine und schaut dem trauernden Tier zu. Endlich erträgt sie es nicht mehr. Sie wird das Kaninchen weggeben.

Drei-, viermal kommen Leute, die ihren Aushang am Schwarzen Brett des Supermarkts gesehen haben: "Stallkaninchen zu verschenken". Das Kaninchen wird gemustert, nach Fleisch und Fell abgeschätzt und für uninteressant befunden. Als Kuscheltier für ein Kind ist es zu groß. Es ist zu nichts nütze, wie es da auf dem Rasen liegt, im vor Nässe triefenden Gras. Mittlerweile ist es April und der Himmel hängt voller Frühjahrsstürme. Das Kaninchen wird immer langsamer und verkriecht sich halbe Tage in der Hecke. Oft kommt es erst mittags auf die Wiese hinaus und rupft Gras ab, mit gleichmütigem Auf und Ab der Nase.

Eines Morgens blüht der Kirschbaum. An seinem Fuß sind rote Tulpen aufgesprungen. Bertha zieht die Gartenhandschuhe an und geht hinaus, kratzt mühsam das letzte welke Laub von den Beeten und überlegt, was sie dieses Jahr pflanzen wird. Das Kaninchen liegt am Zaun und sieht ihr zu, die Hinterbeine lang von sich gestreckt, die gefleckten Ohren angelegt. Sein Blick ist stumpf.

Am Nachmittag fährt Bertha zum Züchter und besorgt einen jungen Kaninchenbock, weiß mit schwarzen Flecken. Im Schutz der Hecke, die grüne Knospen ausgetrieben hat, lässt sie ihn frei. Die beiden Tiere mustern einander aus sicherer Entfernung, während Bertha in dicker Jacke und Gummihandschuhen einen Sack Pferdemist in die Erde einarbeitet. Manchmal dreht sie sich um und beobachtet die Kaninchen, die über die Breite der Wiese hinweg Blicke tauschen.

Kaninchen sprechen nicht.

Auf der Treppe

Mai in einer Kleinstadt in Katalonien. Auf einer backofenwarmen Caféterrasse sitzt eine junge Frau mit langem Zopf, trinkt eisgekühlte Piña Colada und kritzelt auf einen Notizblock. Sie entwirft eine Kontaktanzeige, die fünfte oder sechste seit dem letzten Sommer.
Nacheinander hat sie sich einen gebildeten und vielseitig interessierten Mann gewünscht, dann einen warmherzigen und einfühlsamen Mann, einen gut gelaunten Mann mit Phantasie und einen Mann, der seine Socken selbst wegräumt. Zuletzt einen, der weiß, was er wert ist, und nicht pausenlose Selbstbestätigung braucht. Es spielt kaum eine Rolle, was sie schreibt. Ihre Vorstellung und die Wirklichkeit schwingen auseinander wie die Bewegungen eines Pendels, das keine Mitte findet.
»Ein Mann, der mich zum Lachen bringt«, schreibt sie auf, streicht den Satz gleich wieder durch und lacht ein wenig dabei.
Im Glas schwimmt nur noch halb geschmolzenes Eis. Die Frau hat keine Lust mehr zu schreiben und spielt mit sich selbst Kämmerchenvermieten, schließt Vierecke auf ihrem Block und malt Männchen hinein mit großen Schnurrbärten; mit Armen, die bis zum Boden reichen, und Aktentaschen oder großen Besen.

Bevor sie weggeht, sucht sie die Toilette auf. Dazu muss sie in das dunkle, kühle Café hineingehen und eine Treppe tiefer steigen. Auf dem Treppenabsatz ist eine Tür eingelassen, an der ein großer Spiegel hängt, ein Spiegel mit geschnitztem Rahmen. Auf halber Treppenhöhe hält die Frau inne und betrachtet den Rocksaum und die nackten Beine unterhalb der Knie, die ihr der Spiegel präsentiert.
Erstaunt dreht sie sich hin und her, hebt einen Fuß und lässt die Sandale daran pendeln. Der Spiegel macht ihr alles nach, aber sie erkennt weder das Bein noch den Fuß als ihr Eigen.
Als die Frau weiter hinabsteigt, füllt sich das Spiegelbild auf bis zu ihrem bleichen, sommermüden Gesicht. Sie fasst nach der Türklinke, streichelt sie ein wenig und lässt gleich wieder los.

Blubbern als Kunst!

brille

Wort des Monats

"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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