schmollfisch liest

Das versteh ich nicht ...

Elsa erzählt von einer Mail des BKA, in der mit Strafanzeige! wegen illegalen Runterladens!! von Dateien!!! gedroht wurde. Der Wortlaut der Strafanzeige befindet sich angeblich in der angehängten Datei. Bitte ausdrucken und mit Stellungnahme zurücksenden.

Das Ansinnen, man möge sich als Beschuldigter die Strafanzeige selbst ausdrucken, hat schon Antiwitz-Qualität. Soll man sich auch selbst verhaften? Dafür gibt es das schöne Wort "kafkaesk". Aber es ist nebenbei an dem, dass ich auch so eine merkwürdige Mail habe. Fast 300 Euro Gebührennachzahlung will die GEZ von mir, Näheres entnehmen Sie bitte der angehängten Zip-Datei.

Diese Mail (die für eine Dame bestimmt war, die so ähnlich hieß wie ich, aber eben nicht genau so) sah so unglaublich authentisch aus, dass ich sie glatt an die GEZ zurückschickte mit dem Vermerk, das sei ein Irrläufer.
Tags drauf bekam ich eine Antwortmail der GEZ, das sei kein Irrläufer, sondern ein Trojaner. Na ja. Ich hatte ihn eh weggeschmissen. Der wiehert jetzt in meinem Datenmülleimer.

Aber wenn ich eine Mail an den Absender ZURÜCKSCHICKE, wie kann der behaupten, das sei nicht seine? Ich schreibe schon eine ganze Weile Mails und weiß immer noch nicht, wie ich das so schreiben kann, dass es beim Adressaten so ankommt, als sei es von Dieter Bohlen. Ich meine so, dass die Mail, wenn der Adressat sie ZURÜCKSCHICKT, bei Dieter Bohlen eintrudelt.
Kann mir einer sagen, wie das geht? (Ich möchte gern Dieter was schreiben.)

GEZ. schmollfisch, Internetdepp

Besäufnis

Schmollfisch hat endlich »Der vierzehnte Stein« von Fred Vargas gelesen, der seit ungefähr einem Jahr auf dem Stapel ungelesener Bücher liegt. Das Buch ist 2005 erschienen und komplett in alter Rechtschreibung gesetzt.

Da steht »dass« und »verpiss dich« wieder mit ß und die Kommata hinter Frage- und Ausrufesätzen sind auch verschwunden.

Nun ist das ja nicht so ungewöhnlich, Schmollfisch hat schon im Weihnachtsbuch von 2005, nämlich »Das nackte Leben« von Lea Singer, eine mehr oder wenige vollständige Rückkehr zur alten Rechtschreibung bemerkt. Nach Weihnachten ist vor Weihnachten, sagt man; oder: Nach der Reform ist vor der Reform. Kennt man ja. Den Schmollfisch beschäftigt was anderes. In Fred Vargas' Roman gibt es ein Wort, das mehrfach auftaucht und sich offenbar nicht entscheiden kann, welchen Geschlechts es sei. (Es geht den Wörtern wie den Menschen.) Gemeint ist das Wort »Besäufnis«.

Bei Vargas steht durchgehend »das Besäufnis«. Es gibt viele Besäufnisse in diesem Buch; Kommissar Adamsberg verliert die Contenance so vollkommen, dass er beinahe wähnt, während seines Filmrisses (das Wort Filmriss ist mit dem Wort Besäufnis weder verwandt noch verschwägert, sondern nur benachbart!) einem Mädchen den Hals umgedreht zu haben. Bei Patricia Highsmith, erinnert sich der Schmollfisch, steht in einer Erzählung der Satz: »Was Edmund braucht, ist eine ordentliche Besäufnis.« Lassen wir die Mehrheit entscheiden, gucken wir bei Google nach: Für »die Besäufnis« gibt es 58 Fundstellen, wobei sich auch Konstruktionen wie »Die Besäufnis-Szene« finden; die gehen natürlich ab. »Das Besäufnis« beschert uns 4.120 Fundstellen. Vielleicht erhellt uns vergleichende Forschung das Finsternis? Es heißt »das Geheimnis«, aber »die Befugnis«, »die Bewandtnis«, aber »das Hemmnis« - oder?? Google findet immerhin 237mal »die Hemmnis«, 638mal »das Hemmnis«. Die Ergebnis ist wesentlich ausgeglichener als bei dem der Besäufnis. Schmollfisch kommt zu das Erkenntnis »wie man weiß, weiß man nichts«, nachdem sogar Juristen dann und wann zu eineR Erkenntnis kommen, diese aber bisweilen in eineM Schuldanerkenntnis besteht. Rettet dem Dativ.

Schmollfisch besaß einst ein Kinderlexikon und erinnert sich deutlich an den Eintrag zu dem Wort »Dschungel«: Man könnte der, die, das Dschungel sagen. Geläufig ist »der Dschungel«. In Schmollfischs Übersetzung der Dschungelbücher von Kipling war Dschungel hingegen eine Sie. Unvergessen bleibt Balus Ausruf, nachdem Mogli von einer Herde Affen entführt wurde: »Was schiert mich die Dschungel!«

Was schiert den Schmollfisch das Sprachdschungel. Ran an dem Besäufnis.

Schmollfisch liest ein Schreibforum

Ein kleines Café in der Innenstadt.

Draußen rieselt seit Stunden der Regen. Das Kopfsteinpflaster glänzt vor Nässe. Schwarze und dunkelblaue Regenschirme mit Beinen hasten vorbei. Ab und zu rasselt eine Straßenbahn.

Im Café ist es laut, verräuchert und gemütlich. Immer wieder klappt die Tür, kommt jemand herein, schüttelt den Schirm aus und wirft einen Blick in die Runde. Meistens entdeckt man sofort Bekannte, setzt sich zu ihnen an den Tisch, mischt sich ins Gespräch. Das Café hat keine Polizeistunde, und ganz leer ist es nie: Einer sitzt immer in der Ecke und liest Zeitung, die Witzspalte zum Beispiel oder die Kontaktanzeigen.

Heute, Sonntagabend platzt das Café aus allen Nähten. Alles redet durcheinander. Schrilles Gelächter steigt wie Fontänen aus der allgemeinen Quasselkulisse. Manchmal wird auch sekundenlang leises, durchdringendes Weinen hörbar, verstummt aber schnell, wenn andere Gäste tröstend herbeieilen. In dem allgemeinen Rhabarber ist kaum eine einzelne Stimme herauszuhören. Da plötzlich scharren Füße, ein Stuhl fällt mit Krachen um. Mitten im Café steht eine Dame auf, abenteuerlich anzusehen mit rot und safrangelb gemustertem Poncho und einem grauen Haarschopf, der sich sträubt wie der Federbusch eines Wiedehopfs.

»Ich gehe jetzt«, verkündet sie lauthals mit dröhnender Stimme. »Hier hört mir keiner zu.«

Niemand reagiert. An den Nachbartischen geht das Geschnatter weiter.

»Wenn ihr mich nicht haben wollt, dann sagt es gefälligst klar und deutlich.«

Niemand antwortet. Niemand hebt den Stuhl auf. Die wiedehopfhaarige Dame blickt herausfordernd in die Runde und sieht nur Profile und Hinterköpfe. Niemanden interessiert, dass ihr keiner zuhört und sie jetzt gehen will.

Erst, als sie den umgeworfenen Stuhl auf die Seite schubst und majestätisch dem Ausgang zuschreitet, werden ein paar Leute an den Nachbartischen aufmerksam.

»Sag mal, gehst du wirklich?«
»Das meinst du doch nicht ernst.«
»Wir hören dir doch zu, was willst du denn mehr?«
»Ich hab dir die ganze Zeit zugehört. Ich hab nur zufällig woandershin geschaut.«
»Ich kriege fast alles mit, aber ich kann nicht überall antworten, so viel Zeit habe ich nicht.«
»Ich mein es nicht persönlich. Hab ja auch noch anderes zu tun.«
»Hier gleich um die Ecke ist noch ein Café, da ist nicht so viel Betrieb, versuch es doch mal da. Aber da sitzen nur Idioten.«

Immer mehr Gäste bemerken die Dame mit dem grauen Haarschopf und geben ihre Meinung ab.
»Die redet sowieso nur Käse. Um so besser, wenn sie abhaut.«
»Ich habe gleich gewusst, das ist ein blöder Laden hier. Wenn sie wirklich geht, geh ich mit.«
»Wo gehst du hin? Sag! Wir kommen alle mit!«

Die Dame mit dem Wiedehopfkamm schaut verunsichert in die Runde.
»Ich weiß nicht ...«, stottert sie, »also wenn ihr meint ...«
Allgemeins Gemurmel. Der Grundton ist eher beruhigend. Die Dame setzt sich und streicht ihre gesträubten Haare glatt.

»Wenn ihr meint. Kann ich noch ein Bier haben?«
Die Gäste wenden ihr den Rücken zu. Ein Kellner bringt das bestellte Bier. Die Dame beugt sich über das Glas. Eine Träne rollt in den weißen Schaum.

Blubbern als Kunst!

brille

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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