schmollfisch - 4. Mai, 17:04
wie kommst du hierher
als hornbläser
unter nackten weibern?
mit gepanzerten hunden
treibst du
deine jäger
(behauptet
der professor):
tust deine arbeit
als höllenstatist
trägst nicht
des meisters brille
und auch nicht
seine last
flügelbild geschlossen
(der dritte schöpfungstag):
weg wirfst du
das horn
und springst davon
Detail aus Hieronymus Bosch,
Altar-Triptychon "Der Garten der Lüste"
Um 1500 (Prado, Madrid)
schmollfisch - 1. Mai, 23:29
Muss mich ein paar Tage zurückziehen. Bleibt mir treu.
Grüße an alle vom schmollfisch!

schmollfisch - 17. Apr, 21:40
Also nee ...
Manchmal höre oder sehe ich was und denke, darüber muss ich schreiben. Dann höre ich wieder was und denke, ich muss unbedingt auch mal anfangen und Schreibaufgaben stellen.
Gerade kam ich in den Genuss eines Filmdialogs, den ich hier mal als Lückentext wiedergebe.
Spätabends. Mann und Frau vor dem Fernseher. Der Mann meckert über das miese Programm. Die Frau meint, das sei doch immer so.
Mann: "Ne kleine Nummer ist wohl nicht drin, oder?"
Frau: "Ich will erst noch (...)."
Mann (völlig verblüfft, da er offenbar ein kategorisches Nein erwartet hat): "Was, mitten in der Woche??"
Frau (ganz ruhig): "Sag' ich doch. Ich will nur erst noch (...)."
Mann (springt auf): "Ich putz mir schon mal die Zähne."
So, mögen bitte alle berufenen und unberufenen Autoren den Griffel spitzen und aus dem Ganzen eine Geschichte machen, inklusive Vervollständigung der Lücken im Dialog. (Diejenigen, die den Film auch gesehen haben, halten bitte den Schnawwel.)
Kopfschüttelnden kollegialen Gruß an alle!
schmollfisch - 16. Apr, 00:42
Es begann damit, dass ich nicht mehr richtig sah. Genau gesagt, ich fand beim Klavierspielen das tiefe A nicht mehr. Das hohe A, die letzte Taste rechts, konnte ich gerade noch verschwommen erkennen, wenn ich auf dem Klavierstuhl saß; die letzte Taste links dagegen verschwand in einem flatternden Nebel. Da ich gerade ein Zwölftonstück übte, fiel es zunächst nicht sehr auf, wenn ich daneben haute. Meine Freundin Ulrike kennt sich jedoch leider gut mit Schönberg aus und wollte mich zum Arzt schicken.
„Das wird schon von selbst wieder“, suchte ich sie zu beruhigen, denn ich hasse volle Wartezimmer und zerfledderte Frauenzeitschriften. „Ich kann dir ja auch etwas anderes vorspielen. Etwas, das mehr in der Mitte der Klaviatur abläuft.“ Aber sie ließ sich nicht erweichen und suchte mir selbst einen Arzt aus den Gelben Seiten heraus. Einen Neurologen.
„Was soll ich beim Neurologen?“, begehrte ich auf. „Wahrscheinlich brauche ich eine Brille.“
„Glaub mir, es sind nicht die Augen, sondern die Nerven“, behauptete meine Freundin düster. „Ich weiß, wovon ich rede.“
Drei Tage später in der Praxis des Neurologen war die Sehstörung vorbei. Jedenfalls ganz beinahe. Trotzdem beschrieb ich einem kleinen drahtigen Herrn mit angestaubtem Haarkranz den Nebel vor dem tiefen A. Der Neurologe untersuchte dies und das, ließ mich die Zeigefinger zusammen führen, klopfte mit dem Hämmerchen auf meine Kniescheibe, klebte mir Elektroden an den Kopf und wedelte mit einem Laserpointer vor meiner Nase. Schließlich stach er eine Nadel in meinen linken Handballen und stierte in einen winzigen Bildschirm, während ich die Hand nach seinen Anweisungen bewegte. Es tat höllisch weh. „Herr Doktor“, sagte ich, „es sind die Augen, nicht die Hand.“
„Irrtum“, widersprach er und zog die Nadel heraus. Hinter mir kam ein Drucker in Gang und spie unter Seufzen ein langes Kurvenblatt aus. „Es ist die Hand, und zwar die linke. Die Sehstörungen kommen aus der Hand.“
„Was ist mit meiner Hand?“, fragte ich.
Er schob seine stahlgeränderte Brille auf die Glatze hinauf und vertiefte sich in das Kurvenblatt. „Hm … hm … hm … das sieht aber gar nicht gut aus. Hier, und hier, und hier, das sind melismatische Interferenzen, fast schon an der Grenze zur Solmisation. O je. Ich wette, Ihre linke Hand funktioniert schon längere Zeit nicht mehr richtig?“
Ich zögerte. „Eigentlich mache ich ja alles mit der rechten Hand ... nun ja, beim Klavierspielen, das tiefe A, Sie verstehen ...“
„Sie kommen zu spät, wir hätten früher einsetzen müssen“, seufzte der Arzt und raschelte mit dem Kurvenblatt. „Die Leute kommen immer zu spät. Nun ja, wir werden sehen, was sich tun lässt. Ich versuche erst einmal eine Therapie mit Nicotinamiden und Fulminaten. Viel trinken und nichts Schweres tragen.“ Was meinte er damit? Volle Bierkästen oder den Kummer über mein schweres Schicksal? „Unser Herrgott lädt keinem mehr auf, als er tragen kann“, sagte ich diplomatisch.
Er sah mich an, als sei ich nicht bei Trost. Dann kritzelte er auf seinen Rezeptblock. „Hier, je zehn Tropfen morgens und abends. In vier Wochen sehen wir uns wieder. Und wenn die Hand guidonisch werden sollte, kommen Sie sofort.“
schmollfisch - 15. Apr, 00:45
ich wollte dir erzählen
von granada
den nachtigallen am flussufer
dem wind an tarifas küste
der uns weißen schaum vom atlantik
um die ohren blies
ich wollte erzählen
von den grünen brunnen im wald von bucaco
und den goldenen kacheln
in der kleinen kirche
in almancil
damit du weißt
wo ich
geblieben war
doch dann waren
deine wände so weiß
und dein blick
so stumm

schmollfisch - 9. Apr, 23:22
"Wie geht es deinem Knie? Alles gut überstanden? Na prima. Ja, die sitzt grade draußen und sonnt sich ... ja, Moment, ich geb sie dir."
Der Telefonhörer wird mir hinausgereicht. Das Knie - das kann nur B. sein, die seit Monaten mit einem kaputten Knie kämpft. Meine alte Studifreundin. Die mit den feuerroten Haaren.
"Bist du's, Anna? Ja hallo. Du, wir sind gerade hier an der Eisdiele. Mit dem Motorrad. Sollen wir mal eben rumkommen? Nur ganz kurz?"
Nur ganz kurz. Ich erkläre den Weg, stehe dabei von der Gartenbank auf und schaue übers Geländer auf die Straße, als müsste sie in Sekundenschnelle dort auftauchen. Der Weg ist nicht kurz. Er war sogar sehr lang: Ich habe B. seit weit über zwanzig Jahren nicht gesehen. Wieviele es genau sind, weiß ich nicht. Mag auch gar nicht darüber nachdenken. Eher sind es wohl fünfundzwanzig.
Manchmal haben wir telefoniert, Karten geschrieben. Der Kontakt war dünn, riss aber nie ganz ab. Ein Treffen war immer mal geplant, kam aber nie zustande. Obwohl wir nur eine Stunde Fahrtzeit auseinander wohnen. "Eine Schande eigentlich", haben wir uns gegenseitig am Telefon versichert, meistens mit Lachen. "Wir müssen mal was ausmachen. Irgendwann, wenn mal wieder mehr Luft ist." Mehr Luft - es kam nie dazu. Jetzt ist sie unterwegs mit ihrem Motorrad, vermutlich biegt sie gerade in den Zollweg ein, fährt über die Brücke, wie ich es ihr erklärt habe. Ich stürze ins Haus, knalle das Telefon auf, renne hoch ins Bad, schaue in den Spiegel - jetzt hat sie wahrscheinlich gerade die Brücke überquert und ist auf der Ausfallstraße nach N. Die letzte Abbiegung links ist unsere. Sinnlos, sich jetzt noch aufzubrezeln. Ich werfe das alte T-Shirt in die Ecke, ziehe ein halbwegs vernünftiges aus dem Schrank, eines von der Sorte, die "die Figur locker umspielt" - sie muss ja nicht gleich sehen, dass ich zugenommen habe in den fünfundzwanzig Jahren. Wenigstens sind es nicht so viele Kilo wie Jahre. Höchstens fünf. Oder wie viel habe ich damals gewogen? Ich stehe vor dem Spiegel und versuche mich an mein Kampfgewicht zu Studizeiten zu erinnern. Was kann ich tun, damit sie mich erkennt nach der langen Zeit? Jetzt ist sie wahrscheinlich an der Ecke zur Waldschule hin und biegt in unsere Straße ein. Ich sehe aus wie Hund. Ich stecke mir noch rasch Perlmuttohrringe in die Ohren - Ohren verändern sich nicht. Vielleicht irgendwann später, wenn ich richtig alt bin. Aber einstweilen sind meine Ohren noch recht jugendlich.
Ich ziehe Schuhe an, werfe einen letzten Blick in den Spiegel. Ungeschönt, zerknittert, noch winterbleich an diesem ersten Sonnenfeiertag des Jahres. Was soll man da noch machen in den ein, zwei Minuten, die mir bleiben. Ich gebe auf. Gehe die Treppe runter, aus dem Haus und raus auf die Straße.
Da kommt es, ein Motorrad. Darauf zwei Leute in schwarzer Montur. Sicher fährt ihr Mann. Den kenne ich nicht. Übrigens hat sie schon den zweiten. Ich habe auch den ersten nicht gekannt.
Er verlangsamt das Tempo, als er mich sieht, wendet. Auf unserer Seite kann man nicht parken. Er stellt das Gefährt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab. Seine Beifahrerin steigt von ihrem Sitz. Sie hat eine Sonnenbrille unter dem Helm auf. Ich kann gar nichts erkennen, nur eine rote Strähne, die ihr in die Stirn gerutscht ist. Das muss sie sein.
"Anna!" Wir umarmen uns. Sie nimmt die Brille ab, steckt sie ein und fummelt am Kinnriemen des Helms.
Fünfundzwanzig Jahre. Wie wird sie aussehen? Wie ich? Ist sie alt geworden?
Sie zerrt an dem Helm. Zieht ihn ab. Schüttelt die Haare aus und lacht mich an.
Sie sieht aus wie immer.
schmollfisch - 7. Apr, 00:30
"Beschreibt (sprecht von) einen/m Gegenstand in eurem Besitz, den ihr absolut nicht ausstehen könnt. Mögliche Aspekte die betrachtet werden können: Wie seid ihr in dessen Besitz gekommen. War er teuer? Warum habt ihr ihn noch??"
(Bea im Lyrik-Ecksil, Februar 2007)
In manchen Schreibforen gibt es Schreibaufgaben. Die werden meistens von Leuten gestellt, die selbst schreiben. In der Regel haben sie jedenfalls keine fachärztliche Ausbildung im Bereich der Psychologie. Auch keine Nahkampfausbildung. Aber sie sitzen ja auch in molliger Sicherheit am anderen Ende des Internets, diese Schreibaufgabensteller, die keine Ahnung haben, was sie uns antun.
Ein Gegenstand, den ich nicht ausstehen kann.
Ich brauch mich nur umzusehen. Oben auf dem Schrank liegt eine Geige, ein Familienerbstück, verschrammt und fleckig. Sie hat weder Steg noch Saiten und zwei Wirbel fehlen. Vom Bogen gar nicht zu reden. Auf dem elterlichen Speicher hinten aus dem Eckschrank gezerrt und abgestaubt. Die schöne alte Mandoline, die ich eigentlich haben wollte, war nicht mehr da. Also nahm ich die Geige. Sie so aufzurüsten, dass sie Musik machen kann, würde ein Vermögen kosten. So habe ich sie als Dekorationsstück auf den Schrank gelegt. Gott, wie blöde, diese bürgerliche Zurschaustellung eines verletzten Instruments. Das ist so unanständig, als würde ich mit raushängenden Därmen rumlaufen.
Apropos raushängende Därme. Da ist der Fernseher. Groß wie ein Schrank und mit einem vorstehenden Bauch, oder vielmehr nicht Bauch, sondern A..., da er nicht vorne, sondern hinten heraus ragt. Dieser Fernseher ist ungefähr so kompakt wie der Eiffelturm und so ästhetisch wie eine Auster im elften Monat. Seinen Vorgänger, der nicht viel kleiner war, aber wenigstens sein Hinterteil nicht ganz so aufdringlich in die Gegend streckte, haben wir von einem Cousin meines Mannes gekauft. Er war in einem Jahr dreimal kaputt (der Fernseher, nicht der Cousin und auch nicht der Mann (ich meide den Seitenweg (das gibt nur noch mehr Klammern))). Beim dritten Mal hat der Cousin ihn abgeholt und uns statt dessen dieses Monster hingestellt. Als Leihgerät. Das ist ungefähr acht Jahre her. Der Cousin hat inzwischen geheiratet, sich scheiden lassen, ist Vater geworden und hat Insolvenz angemeldet. Das Leihmonster steht noch immer hier. Der Preis klebt noch dran: 2.799,- Deutsche Mark. Ich trau mich nicht, das Schild abzukratzen. Ich bin nicht mal sicher, wem dieser Fernseher rein formaljuristisch eigentlich gehört.
Ein Gegenstand, den ich nicht ausstehen kann.
Da gibt es noch etwas, was sich immer schwer auf mich legt, sobald ich mich ausstrecke. Nein, diesmal geht es nicht um meine Hasen. Auch nicht um meinen Mann. Es ist nicht haarig, sondern weiß und schwabbelig und entspricht in punkto Ästhetik ungefähr meinem Fernseher. Stichwort schwangere Auster. Ich hasse dieses Ding. Wie bin ich in seinen Besitz gekommen? Man darf gar nicht darüber nachdenken. War es teuer? Na ja. Es entspricht dem Gegenwert von dreihundert Tüten Kartoffelchips und vielen, vielen Flaschen Rioja. Warum habe ich es noch? Keine Ahnung. Ja, warum eigentlich. Ich schleppe das Ding in die Küche und greife mir das Elektromesser. Mit selbstschärfenden Universalklingen aus rostfreiem Stahl, 180 Watt Leistung, stufenlos regelbar, Ebay lässt grüßen. Ich schneide ab.
Im Schreibforum steht: "Eine Frau ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne. Arabisches Sprichwort". Ein schwarzer Himmel hat auch was. Tiefschwarz. Raushängende Därme. Schwärzer als schwarz. Wie ich das hasse, diese Splattergeschichten. Wann habe ich eigentlich zuletzt was Vernünftiges geschrieben?
schmollfisch - 4. Apr, 00:33