Für herausragende Blogleistungen (in welchem Sinn auch immer ;-))

bekam ich diese Auszeichnung:

rockin-button,

von Uta.
Kreiert wurde dieser Button hier.

Lieben Dank! Es ist mir eine Ehre!
*Schmollfisch verneigt sich*

Neues von Ewald (Achtung, Plärrtext!)

Ewald - das ist mein Nachbar, der mit dem Aufsitzmäher und dem Turbo-Hochdruckreiniger - also der Ewald bekam neulich ein Schreiben vom Finanzamt. Es ging darin um eine Änderung der Grundsteuer für sein Haus. Der Ewald hat in seinem Haus nämlich eine Einliegerwohnung im Untergeschoss eingebaut, eine richtige Wohnung mit 50 Quadratmetern Grundfläche, mit Küche, Bad und separatem Eingang. Er hat diese Wohnung sogar eine Weile vermietet gehabt. In den letzten drei Jahren allerdings nicht mehr, seit er mal einen Mietnomaden drin hatte. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.
Solange Ewald einen Mieter hatte, hat er übrigens jeden Furz Investition in sein Grundstück und Haus anteilsmäßig von der Steuer abgesetzt. Das Rasenmäherbenzin, Düngemittel für seine Rosenbeete, Waschwasser zum Kärchern seines Eingangspodests und ein Hochleistungs-Ultraschall-Pfeifgerät, um fremde Katzen aus dem Hof zu scheuchen. Aber jetzt hat Ewald schon drei Jahre keine Mieter mehr. Seine Frau, die Ewaldine, benutzt die leerstehende Einliegerwohnung, um die Apfelernte zu lagern, und Ewald bunkert in der Einliegerküche seine Schallplattensammlung, John Fogerty und Eric Burdon und wie die alle heißen. Na ja, dazu könnte ich viel erzählen. Ein andermal.
Kommen wir zurück zur Grundsteuer! Ewald hat einen Brief vom Finanzamt gekriegt, dass seine Grundsteuer all die Jahre, seit das Haus steht, zu niedrig angesetzt wurde. Ewald hat nämlich ein Zweifamilienhaus angegeben und zweihundertachtzig Euro Grundsteuer bezahlt. Aber die separate Einliegerwohnung ist grundsteuerrechtlich gar keine richtig separate Wohnung, weil nämlich von der Wohnung aus ein Durchgang in Ewalds Kellerräume möglich ist. Da ist eine Tür, und die kann man abschließen. Es liegt bei Ewald, ob er seinem Mieter, wenn er denn einen hat, den Schlüssel zu dieser Durchgangstür gibt. Jedenfalls könnte dieser rein fiktive Mieter mit diesem Schlüssel hinten aus seiner Wohnung raus in Ewalds Waschküche und Fahrradraum gehen.
Der nette Mann auf dem Finanzamt (er heißt übrigens Nagel, Herr Nagel) hat das Ewald genau erklärt. Grundsteuerrechtlich hat eine separate Wohnung ein Viereck mit EINEM Loch zu sein. Hat das Viereck zwei Löcher, also eine separate Eingangstür und eine Durchgangstür zu Ewalds Keller, ist es keine separate Wohnung und kostet folglich dreihundert Euro mehr im Jahr. Ewald soll das zweite Loch zumachen, dann kann das Haus weiter als Zweifamilienhaus gelten.
Ewald hat also vor die Durchgangstür zu seinem Kellerraum eine Stellwand gemacht, aus Spanplatten, und sicherheitshalber einen alten Schrank davorgeschoben. In den Schrank hat die Ewaldine auch gleich zwanzig Gläser eingemachte Kirschen gestellt, damit es authentisch aussieht.
Dann ist der Bausachverständige gekommen, hat sich den Schrank und die Stellwand angeguckt und gesagt, dass der Durchgang nach wie vor existiert, nur hat Ewald halt einen Schrank davorgeschoben, und das gildet nicht. Das Zweitloch im Viereck muss ZU sein, richtig ZU.
Also bautechnisch ZU.
Ewald hat folgsam die Durchgangstür vermauert und nimmt seitdem in Kauf, dass er immer, wenn er mal John Fogerty hören will, außen rum ums Haus muss.
Aber leider hat das gar nichts gebracht. Denn Ewalds Einliegerwohnung hat eine Luke zur Doppelgarage. Keine Tür, wohlgemerkt, nur eine Luke, eigentlich nur eine Entlüftung aus der Küche raus in die Doppelgarage. Und von der Garage aus gibt es einen ganz schmalen geplätteten Aufgang in den Garten, und vom Garten aus gibt es eine Terrassentür in Ewalds Erdgeschoss. Der Bausachverständige hat diese Luke zur Garage übrigens ganz schnell gefunden. Er hat in der Einliegerwohnung ein Fenster aufgemacht und ist anschließend mit einer brennenden Kerze durch Ewalds Wohnzimmer gelaufen. Und als die Kerzenflamme flackerte, schloss er messerscharf, dass da irgendwo noch ein Durchgang in die Einliegerwohung sein müsse. Die Luke zur Garage. Die hat er dann gefunden, indem er einfach dem Luftzug nachging.
Ewald hat also auch die Luke vermauert, Mörtel war ja noch übrig. Aber das hat leider auch nichts gebracht. Denn gleich vorne neben dem separaten Eingang der Einliegerwohnung hat Ewald einen schönen kerzengeraden zwölf Meter hohen Baum, eine Säulenkirsche. Man muss diesen Baum gesehen haben. Im Frühling ist er wunderschön und blüht wie eine sanfte weißrosa Fontäne, aber im Herbst, wenn er die Blätter gefallen sind, sieht er aus wie eine Spitzbubenleiter. Und wenn der Mieter der Einliegerwohnung, der fiktive Mieter also, den es gar nicht gibt, wenn also dieser Mieter aus seiner Tür träte und in den Baum stiege, könnte über Ewalds Balkon in Ewalds Schlafzimmer. Großes Katastroph! Da geht es nicht mehr nur um John Fogerty, da sind ganz andere Dinge im Spiel in Ewalds Schlafzimmer, Hochleistungsgeräte, ich sage nur: Schwingschleifer! Elektrotacker! Motorkettensägen! Rohrpömpel! Aber das sind andere Geschichten, und sie werden alle, alle, alle ein anderes Mal erzählt werden!
Wie auch immer, Ewald hat aufgegeben. Ab sofort zahlt er nicht mehr zweihundertachtzig, sondern fünfhundertfünfundsiebzig Euro Grundsteuer im Jahr. Sogar rückwirkend ab Anfang dieses Jahres. Ob er noch vermietet, weiß ich nicht. Ich kenne ja einige Leute, die eine Wohnung suchen, aber bei Ewald halte ich mich lieber raus. Gestern abend haben wir zusammen ein Bier auf der Terrasse getrunken, da hat er mir anvertraut, dass er die Einliegerwohnung sicherheitshalber komplett zumachen wird. Er wird die separate Eingangstür auch noch zumauern. Von außen natürlich, nicht von innen. Von innen kann er ja nicht mehr rein, weil die Durchgangstür in den Keller schon zugemauert ist.
Ich werde John Fogerty vermissen!

... besser mit sich selbst ...

Mein Bruder F. mag keine Handys leiden.
Telefonieren ist keine echte Kommunikation. Beweis: Wenn ein Telefonat länger als fünf Minuten dauert, ertappt er sich regelmäßig dabei, dass er Blümchen auf seine Schreibunterlage malt. Redet er mit einem echten Gesprächspartner, passiert ihm das nicht.
"Siehst du, wir sitzen jetzt zum Beispiel hier zusammen, trinken Kaffee und reden. Die Zeit nehmen wir uns, und in dieser Zeit tun wir nichts anderes. Das nenne ich ein echtes Gespräch."
Ich überlege, ob sich dahinter vielleicht eine Spitze gegen mich verbirgt, weil ich, als er das letzte Mal zu Besuch bei mir war, während unserer Unterhaltung gestrickt habe.
Gott sei Dank hat jetzt seine Lebensgefährtin eine Frage: "Was ist denn so schlimm dran, wenn man während eines Gesprächs nebenher Blümchen malt?"
"Weil man dann nicht ganz bei der Sache ist! Ich merke zum Beispiel beim Telefonieren immer sofort, wenn mein Gesprächspartner anfängt, sich mit irgendwas anderem zu beschäftigen!"
Als ich das letzte Mal mit F. telefonierte, habe ich währenddessen Wäsche sortiert und in die Maschine geräumt, die Bratwurst in der Pfanne rumgedreht sowie einen Brief an meine Lektorin frankiert und zugeklebt. Er muss es gemerkt haben. Ob ich jetzt sehr rot geworden bin? Verlegen zupfe ich an einer losen Nagelhaut.
Zum Glück ist die Lebensgefährtin noch nicht fertig. "Willst du damit sagen, wer während des Gesprächs in der Suppe rührt, sündigt gegen den Gesprächspartner? Ich bitte dich!"
"In der Suppe rühren geht noch", präzisiert F., "aber wenn es daran geht, die Suppe zu salzen ..."
Ich darf F. nicht mehr um die Mittagszeit anrufen, sonst kocht er am Ende durch meine Schuld salzlose Suppe.
Und der Brief an meine Lektorin war womöglich auch kein richtiger Brief, weil ich mit F. telefonierte, während ich ihn frankierte und zuklebte. Mein Verlagsvertrag wird scheitern, weil er zur Unzeit anrief. Und ich obendrein nebenher noch Bratwürste drehte.
Ich erröte womöglich noch mehr und zupfe an der Nagelhaut.
"Unfähigkeit zum Multitasking", definiert die Dame seiner Wahl. "Das muss aber eine Spezialität des männlichen Gehirns sein! Überleg doch mal, wenn Mütter keine Gespräche führen könnten, während sie die Suppe salzen, dann käme überhaupt keine Suppe zustande! Man merkt wirklich, dass du keine Kinder hast!"
Ich erinnere mich, wie ich das letzte Mal beim Erlenhofer Bauern Erdbeeren pflückte. Der Erlenhofer Bauer hat ein großes Erdbeerfeld, das Kilo selbstgepflückte Erdbeeren kostet nur zwei Euro. Ich war schon ganz früh da, außer mir war nur eine Frau auf dem Feld. Sie pflückte und redete unaufhörlich. Aber nicht mit mir, dazu war sie viel zu weit entfernt. Ich dachte schon, sie führe Selbstgespräche. Als wir uns bis auf zehn Meter aufeinander zugepflückt hatten, sah ich, dass sie ein Headset aufhatte und telefonierte. Oder vielmehr handy-ierte. Vielleicht mit ihren Kindern zu Hause. Sicher werden die Kinder verwahrlosen. In zehn Jahren werden sie, verdreckt und mit Gesichtspiercings und Tattoos übersät, im Rinnstein liegen. Und uns Steuerzahlern auf der Tasche. In den Reality-Shows der Privatsender werden sie auf der Couchkante kleben und in mangelhaftem Deutsch berichten, dass in ihrer sensiblen Phase Mudder Erdbeeren pflücken ging und ihre Erziehungspflichten per Handy wahrnahm, statt gebührende Geborgenheit zu geben.
"... schmeckt nach Alkohol", höre ich. "Merkst du's?"
Ich schrecke hoch. "Wie bitte?"
"Siehste!" F. sieht mich anklagend an. "Lass doch endlich deine Nägel in Ruh, dann kriegst du auch mit, dass der Apfelkuchen nach Cidre schmeckt!"

... verschieden

allein gelassen

Unzählige Male hat sie sich verdrückt, aus der Verantwortung gezogen und statt dessen am Telefon unverbindliches Zeug geschwätzt. Jetzt geht nichts mehr, die Tür ist zu; sie hat nach wie vor einen Schlüssel, aber es ist nichts mehr dahinter, hinter der Tür nur noch Leere und letzte Woche eine verirrte Fledermaus. Sie hat die Hintertür aufgerissen und, in die Ecke gedrückt,gewartet, bis das orienterungslose Tier das Weite gefunden hat.
Die Haustür wieder hinter sich zumachen, zweimal herumschließen - im Treppenhaus vertrocknet der Gummibaum; ver weiß, wie viele Fledermäuse noch in den Ecken hängen. Diesmal wird sie nicht telefonieren, es gibt niemanden, mit dem sie reden könnte, aber das leere Haus für drei Wochen Urlaub zurückzulassen riecht mehr nach Flucht und Veranttwortungslosigkeit als je zuvor. Sie wird sich nicht fangen lassen. Vielleicht würde sie sich gern fangen lassen. Aber es ist niemand mehr da, der die Hände ausstreckt.




phantomjucken

dazwischen
bist du
ein verschieden
ich wollte
rückenkratzer
nicht raspel
an der haut

verschieden
dahin
ich kratze
die wunde stelle
ins leere

"Je suis BOSSU!"

Obwohl ich nur sehr wenig Französisch kann, habe ich mir als Souvenir eine DVD von "Jean de Florette" mitgebracht.
Dass der göttliche Yves Montand und der nicht minder göttliche Gérard Depardieu Hauptrollen spielen (letzterer mit Buckel!), wusste ich aus meiner Ausgabe des Romans "Die Wasser der Hügel" von Marcel Pagnol, die einige Szenenfotos aus dem Film enthält. Unter anderem Depardieu mit einem Kaninchen im Arm!
Wen ich aber auf diesen Szenenfotos nicht erkannt habe, das ist der obergöttliche Daniel Auteuil! Und das trotz seiner charakteristischen schiefen Nase! Dem haben sie nämlich derart chaotische Zähne gemaskenbildnert, dass er sich wirklich kaum noch ähnlich sieht. Die Nase fällt da gar nicht mehr auf.



Ich versteh zwar das Wenigste, aber da ich das Buch gut kenne, kann ich der Handlung folgen. Herrlich die provenzalische Aussprache. Auteuil als Ugolin Soubeyran stellt sich als "Ügoleng Subeyrang" vor.
Aus dem Buch, Brief von Attilio an Ugolin:
"Schreib mir nochmal, aber gib etwas Obacht auf Deine Rechtschreiberei! Man versteht nix, muß immer nachschlagen! Ich sag das nicht, um Dich zu ärgern. Bei mir kommt's auch vor, daß ich mich bei einem Wort nicht auskenne, wie man's schreibt, dann tu ich eben ein anderes an seiner Stelle nehmen!"
Ein trauriges Buch übrigens. Als Ugolin spontan seinen Paten umarmt, schubst dieser ihn zurück: "Vergeuden wir unsere Zeit nicht mit Schweinereien."
Ist das nun zum Lachen oder zum Weinen?

Und auch sehr traurig - Ugolins aussichtslose Liebe.
Nach seinem Selbstmord fragt jemand, ob er denn wirklich absolut gar keine Chance bei der Angebeteten gehabt habe.
Der nicht eben geistreiche Kommentar eines Anwesenden dazu:
"Er war sehr hässlich."
Darauf antwortet der Frager: "Alle Männer sind hässlich!"



Also ich finde die beiden hier schön ... obwohl der eine einen Buckel und der andere eine schiefe Nase hat. Sieht man ja hier übrigens auch nicht.

Pudelskern mal anders

In Bad Hersfeld haben sie in der Innenstadt lauter Pudel-Skulpturen aufgestellt.
Vorne an der Brust hat jeder einen Knopf mit einem Schild daneben "Bitte nur einmal drücken!"
An zwei Pudeln habe ich gedrückt. Aus einem scholl "Heinrich, mir graut vor dir!", aus dem zweiten: "Der Worte sind genug gewechselt, nun lasst uns endlich Taten sehen!"
EIne hübsche, ulkige Idee. Heute abend wurde in der Bad Hersfelder Stiftsruine "Figaros Hochzeit" gespielt und der Schmollfisch war mit Fischtochter dabei, bis an die Brust in Decken gewickelt und um den Kopf noch mal einen Wollschal wg. Gesichtsneuralgie. Auch so ein guter Freund, der mich jeden Sommer besucht.
Aber schön war's. Tutto Sevilla conosce schmollfisch!

Halbseiden

Le musée de la soie à St Hippolyte du Fort

Nun bin ich schon x-mal in der Provence gewesen und hatte bisher keine Ahnung, dass eine der wichtigsten Einnahmequellen dieser Gegend in früheren Zeiten die Seidenproduktion gewesen ist! Und das mir als Liebhaberin alles Textilen! Meine einzige Entschuldigung ist wohl, dass das Thema Seide auf den normalen Touristenwegen kaum ins Auge fällt - im Gegensatz zu den bekannten Themen Olivenöl, Wein, Lavendel, Malerei. Kanufahren und und und ... Man muss schon ein wenig gezielter suchen, um die berühmten weißen Seidenraupen bei der Arbeit beobachten zu können. In der Magnanerie in St. Hippolyte du Fort zum Beispiel. Die Arbeit der Seidenraupen heißt zum größten Teil: Fressen. (So gut möchte ich es auch mal haben.)
Während ihrer kurzen Lebensspanne verzehren die Raupen Tag und Nacht unter lauten Schmatzgeräuschen Unmengen von Maulbeerblättern. Viermal häuten sie sich, nach der vierten Häutung suchen sie einen erhöhten Platz und beginnen sich einzuspinnen. Früher haben die Raupenzüchter ihren Tierchen Heidekrautbüschel zur Verfügung gestellt; heute benutzt man dazu weiße Plastikgestelle.




In der Seidenherstellung darf der Schwärmer nicht ausschlüpfen, das würde den Kokon zerreißen. Er wird in speziellen Öfen noch vor dem Schlüpfen erstickt. Der Kokon wird gewässert und dann kann der feine Faden abgespult werden - ein echter Maulbeerseidenfaden. Manche Seidenraupen nehmen auch mit Eichenlaub und anderem vorlieb. Nur leider hat man dann keinen echten Maulbeerseidenfaden, sondern die wesentlich gröbere Wildseide. Die habe ich selbst schon verarbeitet; sie hat zwar nicht den speziellen Glanz der Maulbeerseide, ist aber durch den kühlen Griff auch sehr angenehm zu tragen. Keine "richtige" Seide, aber gut genug für einen halbseidenen Fisch.
Meine Hoffnung, in der Magnanerie Spinnseide kaufen zu können, ging leider nicht in Erfüllung - hier gab es nur fertige Stoffe und Kleidungsstücke, alles gut und teuer und nicht mal an Ort und Stelle gefertigt, sondern aus Madagaskar importiert. Aber was solls. Dafür konnte ich jede Menge Uraltmaschinen aus der Seidenindustrie bewundern.



Das ist ein alter Industriewebstuhl, im Vordergrund ein moderner Handwebstuhl, wie man sie heute noch in der Handweberei benutzt (und sich einen krummen Buckel dabei holt, habe ich mir sagen lassen).





Ein problematischer Arbeitsgang steht bei jedem Weben am Anfang: Das Schären und Aufbäumen der Kette. Breite Ketten aus feinen Fäden auf den Webstuhl zu bringen, ist mindestens so aufwendig wie das spätere Weben selbst. Hier kann man sehen, mit welchen Ungetümen dabei früher gearbeitet wurde und wohl auch heute noch gearbeitet wird, denn das Prinzip hat sich ja nicht verändert.




Hier eine Strickmaschine ehrwürdigen Alters. Vermutlich strickte sie wesentlich feiner als unsere heutigen Heimstricker, mit denen man selbst bei feinster Einstellung keine richtigen Seidenjerseys hinbekäme. In früheren Zeiten hat man auch die feinen Strümpfe aus Seide hergestellt. Ein Gerät zum Stricken von schlauchförmigen Stücken ist im Hintergrund zu sehen.




Wer mir sagen kann, wozu das mal gedient hat, gewinnt die halbseidene Maulbeere am Bande. Ich habe keine Ahnung. Bandwebstuhl? Sieht eher aus wie eine Guillotine. Vielleicht hat man damit die Seidenraupen geköpft, die nur fraßen, statt sich einzupuppen.




Und das hat mir besonders gefallen: der Fühlbereich des Museums. Hier darf und soll man anfassen und betatschen. Wer will, kann anhand der Schaubilder auch die verschiedenen Zwirnungen und Webarten nachvollziehen. Und sich danach aus dem Korb ein Stück Seide aussuchen, wenn das Portemonnaie dick genug ist. Bei mir hat's leider nicht gelangt; das Portemonnaie ist das einzige, was an mir schlank ist - ich bleibe halbseiden.


Mouton tarasconais

Übrigens habe ich mir durchaus auch was gegönnt: In einer kleinen Wollkämmerei in Niaux habe ich ein großes Stück Spinnwolle vom "mouton tarasconais" kaufen können, einer mir bis dahin unbekannten Schafrasse. Das Vlies ist sehr hell, beinahe weiß, und schön weich im Griff. Ich bin gespannt, wie es sich verarbeiten lässt. Und habe jedenfalls keine Seidenraupen auf dem Gewissen; das Schaf dürfte noch leben und grast hoffentlich friedlich auf seiner Weide im Roussillon.

Das Vlies zeige ich demnächst im Hinterzimmer. Sobald ich ein Foto habe. Weiteres demnächst!


Nachtrag: Viel Audon

Das ist nicht das Gegenteil von wenig Audon, sondern der Name eines Dorfs an der Ardêche, wo eine Handvoll Aussteiger daran arbeitet, die Seidenproduktion in der Provence wiederzubeleben. Einstweilen umhegt man eine Maulbeerbaumplantage und verkauft Ziegenkäse und andere Produkte der Region. Ich bin in einem zwanzigminütigen Fußmarsch von der Route National aus hingelangt (Autos sind in Viel Audon nicht gern gesehen, man macht hier Ernst) und gewann den Eindruck einer behelfsmäßigen Barackengruppe mit sehr aufwendiger Müllentsorgung. In einer Degustationsbude, wo es Honig und Wein gibt, ist die Arbeit in und an Viel Audon auf Plakatwänden dokumentiert. Gern hätte ich mich genauer umgesehen, es sieht interessant aus, doch dafür war leider keine Zeit.
Vielleicht gibt es in ein paar Jahren wieder echte provenzalische Seide? Ich habe mir das Eckchen an der Ardêche jedenfalls vorgemerkt. Zumal es auch noch eine "Filaterie" (vom Schaf zum Pulli!) gibt, die ich auch wegen Zeitmangel nicht mehr besuchen konnte.

Blubberpause

für drei Wochen.
Bis dann!

Maloche in Spanien

Den Spaniern als arbeitenden Menschen haftet ein unausrottbares Vorurteil an, nämlich dass sie eigentlich überhaupt nicht arbeiten. "mañana" lautet das Stichwort. Vermutlich sagt diese Vorstellung mehr über den deutschen Touristen aus als über den typischen Spanier. In Wirklichkeit arbeiten die Spanier gern, viel und mit Begeisterung.

An einer typisch deutschen Straßenbaustelle sehen wir zuerst "100"-, dann "80"-, dann "60"-Schilder, einen Blitzkasten und einen Radlader, der sich nicht bewegt. An einer typisch spanischen Straßenbaustelle sehen wir acht Arbeiter in gelben Warnwesten, die knietief in einem Graben stehen und die Pickel schwingen. Meistens stehen außerhalb des Grabens noch ein paar und reden mit ihren Handys, und einer schwenkt ein Fähnchen. Dreieckige Schilder mit aufgemalter "100" erübrigen sich, in Spanien fahren alle gleich langsam, im Gegensatz zum kleinen Nachbarn Portugal (da fahren alle gleich noch schneller). Kommt man ein Jahr später wieder, ist die Straßenbaustelle nicht mehr da. Statt dessen ist da eine Straße, fix und fertig, manchmal schon flankiert von Tamarisken und Oleandersträuchern, alles blühend und dick mit Straßenstaub bedeckt.

Nehmen wir statt der Straßenbaustelle ein Gebäude: Will man in Deutschland eine Hundehütte bauen, stellt man ein Schild auf "Betreten der Baustelle verboten" und daneben vielleicht noch ein Schild "Hier bauen wir für Sie eine Hundehütte. Voraussichtliches Bauende 2012". (Ich bin dann immer in Versuchung, im Schutz der Dunkelheit mit einem fetten Edding aus der ersten 2 eine 3 zu machen.) Will man in Spanien eine Hundehütte bauen, stellt man als erstes mindestens einen Kran auf. In Spanien gibt es annähernd so viele Kräne wie Spanier. Man hat dort so viele Kräne, dass man sie sogar zu Verschönerungszwecken vor Supermärkten aufstellt. Die Spanier bauen rasend gern. In und um Bilbao, Tarragona, Valencia baut man Hochhäuser mit Hunderten von Wohnungen, dass es nur so kracht. Wer das alles bewohnen soll, ist mir ein Rätsel. In Städten wie Oropesa, das sich eines "goldenen Sandstrands" rühmt (in Wirklichkeit sieht man davon nichts, so dicht liegen die Leute drauf) sind wir Deutschen für die Belegung der Bauten zuständig. Aber da es auch von uns Deutschen immer weniger gibt, sehe ich in dieser Hinsicht eher schwarz.



In Barcelona baut man seit 1882 an einer Kirche, der "Sagrada Familia", die ausschließlich aus Eintritts- und Spendengeldern finanziert wird. Bei Wikipedia ist zu lesen, das man hofft, bis 2026, dem hundertsten Todestag des berühmten Architekten Antoni Gaudí, fertig zu werden. Der Bau schreitet deshalb so langsam fort, weil nach Gaudís Entwurf praktisch jedes Bauteil einzeln von Hand gefertigt werden muss. Gaudís Kirche enthält keine geraden Linien. Bei meiner letzten Besichtigung der Kirche im vorletzten Jahr ging ich u.a. durch das Hauptschiff, das einen Wald weißer Säulen mit weißen Blattwerk an den Kapitellen vorstellt. Mitten in dem unsäglichen Lärm und Staub saß an einem kleinen, mit Pappwänden abgeschirmten Arbeitsplatz eine junge Frau und fertigte weiße Blätter aus Stuck. Wir liefen zusammen mit Hunderten anderer Touristen auf einer Brettergalerie über ihrer Nase vorbei. Sie schenkte uns ebensowenig Beachtung wie dem Maschinenlärm und den anderen Arbeitern um sie her. Vielleicht sitzt sie jetzt noch da und schmirgelt selbstvergessen an ihren weißen Stuckblättern.

Die Sagrada Familia soll, wenn sie fertig ist, 13 Türme haben; ich habe bei meinem letzten Besuch acht fertige Türme gezählt. Die übrigen Türme ersetzen einstweilen Kräne.



Auf einem Parkplatz am Stadtstrand von Barcelona habe ich im Juli 2005 einen jungen Mann beobachtet, der dort ganz allein mit einem kleinen Schaufellader einen Graben ausbaggerte. Wir haben ungerechterweise über ihn gelacht. Es hatte annähernd 30 Grad im Schatten; wir latschten mit Schirm Richtung Strand - er saß strahlend auf seinem Schaufellader und baggerte, dass es nur so staubte; mit der Begeisterung eines kleinen Jungen, der im Sandkasten wühlt. Kein anderer Arbeiter war zu sehen, auch kein Polier; er baggerte ganz alleine.

Als wir letztes Jahr wieder dort parkten, war der Bürgersteig fertig. Ein bisschen ungleichmäßig gearbeitet, hier und da holprig, aber es war ein Bürgersteig. Man konnte darauf gehen.

Vielleicht komme ich dieses Jahr wieder nach Tossa. Dort gibt es einen Schmuckladen, der das schönste Angebot hat, das ich bisher gesehen habe. Die Inhaberin hat graue Streichholzhaare und einen Buckel. Wenn ich mit dem Finger gezeigt habe, welches Stück ich haben will, holt sie es mit mürrischer Miene aus dem Glaskasten und poliert minutenlang mit einem Silberputztuch darauf herum, die dunkelbrauen Augen verkniffen wie ein Uhrmacher.

Ich würde gern wieder hingehen. Jederzeit. Nächste Woche.

Wo es holpert

Teppichboden ist verräterisch. Im Lauf der Jahre sieht er aus wie mit Gräben gespurt, an den Stellen, wo man mit dem Stuhl hin und her gerollt ist. Von dort, wo sie sitzt, führt ein solcher Graben zu der Schublade links, wo ein flüchtig geführtes Tagebuch liegt, und ein zweiter, tieferer nach rechts zu der Schublade mit ihrem Schokoladenvorrat. Neben der Tür gibt es eine Erhebung, einen kleinen Buckel unter dem Teppich. Da hat der Teppichleger etwas darunter vergessen. Wenn sie lange genau hinschaut, fällt ihr manchmal ein, dass sie den Teppich selbst verlegt hat, aber was darunter liegt, weiß sie nicht mehr. An einer Stelle holprig. Im Wohnzimmer ist Fliesenboden, das ist besser, der verrät nichts. Nur eine winzige schwarze Stelle, wo sie vor Jahren in einem Wutanfall eine schwere Henkeltasse hinschmiss und damit einen Splitter aus der hellen Fliese trümmerte. An zwei Stellen holprig.

Blubbern als Kunst!

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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