Halli-Galli

Wie ich heute hörte, ist es an der Zeit, dass ich mich von einem alten Freund trenne, der mich seit langem begleitet. Irgendwann in den frühen Achtzigern wurde er zum ersten Mal an oder vielmehr in meiner Seite gesichtet. Zwei Zentimeter groß war er damals. Er wurde übrigens rein zufällig entdeckt, da er sich durch nichts bemerkbar machte, sondern bescheiden still herumlag. In meiner Gallenblase.
Mittlerweile ist er zwar nicht mehr gewachsen, aber auch nicht gewichen, und da er nunmehr doch beinahe täglich vor sich hin randaliert, wird es time to say goodbye.
Das ist jedenfalls die Meinung meiner Ärztin.
Ich denke noch darüber nach; froh bin ich erst mal, dass es nichts Schlimmeres ist. Wenn man erst mal anfängt, mit Suchwörtern wie "Schmerzen, Druckgefühl, rechter Oberbauch" zu googeln, bekommt das Grauen einen Namen.

Vielleicht ist mal wieder eine Horrorgeschichte fällig! Ich schreibe ja schon fast gar nichts mehr, der Stöpsel sitzt fest!!

Ach, Tolstoj ...

Klitschko-Bruder I: "Hier, für dich." *reicht ihm ein Buch*
Klitschko-Bruder II, ächzend: "Tol-stoj. Schwää-re Kost."


Zwei Männer sitzen im Zug beisammen, kommen ins Gespräch, und der eine erzählt dem anderen sein ganzes Leben. Es ist eine lange Erzählung, die die ganze Nacht hindurch dauert, denn es ist nicht nur der äußere Verlauf des Lebens, der erzählt wird, sondern der Erzähler kotzt sich regelrecht aus, er referiert seine Fehler, er klagt sich selbst an, ein grundfalsches Leben geführt zu haben. Und woraus besteht sein Fehler? Er schlief mit seiner Frau.

Die "sogenannte Liebe" ist ein Betrug, das Verhältnis der Männer zu ihren Frauen ist "ein Abgrund von Irrtümern und Täuschungen" und das, was der Erzähler den "Honigmond" nennt, ist "peinlich, beschämend, häßlich, jämmerlich und vor allem langweilig, unerträglich langweilig". Wenn die Menschheit endlich darauf verzichten würde und in der Folge ausstürbe, wäre das das beste, was passieren kann. "Wozu ist sie denn notwendig, diese Fortdauer des Menschengeschlechts?" Und so geht es weiter und weiter, ein Kapitel ums andere. Der dramatische Gipfel, der Mord an der Ehefrau, wird mehr nebenbei vermerkt ... die "Message" ist das Wichtigste.

Wie soll man so etwas bloß lesen? Und das gilt als Weltliteratur. Vom gleichen Autor immerhin, der "Krieg und Frieden" und "Anna Karenina" geschrieben hat. Über mehr als hundert engbedruckte Seiten hinweg ergießt sich in Tolstojs Erzählung "Die Kreutzersonate" eine wahre Sturzwelle an sexualfeindlichen, ja lebensfeindlichem Geschwalle und Gewetter. Angeblich hat Tolstoj einige Jahre später der Erzählung einen Epilog hinzugefügt, in der er die Gedanken seines Eisenbahnreisenden ausdrücklich als seine eigenen deklarierte. Selbst in der Ehe sollten Mann und Frau wie Bruder und Schwester leben und die Ehe nicht durch sexuelles Erleben verunreinigen.

Und wie sah Tolstojs eigenes Eheleben aus? Er heiratete mit 34 Jahren ein achtzehnjähriges Mädchen, das eigentlich halb und halb mit einem anderen verlobt war, aber der Versuchung erlag, einen aufsteigenden Stern am Schriftstellerhimmel zu ehelichen. Wahrscheinlich war ihr gestiegenes Prestige das einzige, was sie von der Ehe hatte. Schon während des "Honigmondes" tyrannisierte ihr Mann sie mit übermäßiger Libido, wie ihre Tagebuchaufzeichnungen verraten: "Er liebt es, mich zu quälen und weinen zu sehen" schrieb sie schon kurz nach der Eheschließung in ihr Tagebuch. Die Ehe nahm tatsächlich einen Verlauf, der erstaunliche Parallelen zu der "Kreutzersonate" aufweist, wenn man Frau Tolstojs Tagebuch Glauben schenkt. "Ich weiß, dass ich ihm im Wege bin, wenn er mich nicht zu seiner Befriedigung braucht. ... Wenn nur die Leute, die die Kreutzersonate mit solcher Hochachtung lesen, einen Augenblick das erotische Leben sehen würden, das er führt - und das allein ihn glücklich und heiter macht - sie würden diesen kleinen Gott von dem Sockel herunterholen, auf den sie ihn gestellt haben ... es ist nicht schön, ein Tier zu sein, aber es ist auch nicht gut, ein Prediger von Prinzipien zu sein, die man selbst nicht imstande ist durchzuführen" schreibt sie 1891, nach fast dreißig Jahren Ehe, mit großer Klarsicht. Ihre freundschaftliche Beziehung zu einem Musiker betrachtete Tolstoj mit heftigem Argwohn - ganz wie der Erzähler der "Kreutzersonate".

Wollte Tolstoj denn überhaupt etwas erzählen - oder ging es ihm nur darum, mit den Mitteln der Schriftstellerei seine Moralvorstellungen zu ventilieren? So oder so - schwää-re Kost. Man schwankt zwischen Gähnen und ungläubiger Belustigung. Aber was ist das? Da stolpern wir im neunzehnten Kapitel über folgenden Satz, mit dem der Eisenbahnreisende seinen Nebenbuhler, den Musiker, beschreibt: "Der Körperbau schwächlich, wenn auch keine ausgesprochene Mißgestalt; auffallend das stark entwickelte Hinterteil, wie bei einem Weib oder einem Hottentotten. Die sollen ja auch sehr musikalisch sein." Autsch! Bei aller Vorsicht, heutige Maßstäbe an einen Text des neunzehnten Jahrhunderts anzulegen, ist es schwer vorstellbar, dass Tolstoj mit diesen Sätzen etwas anderes präsentieren wollte als hilflose, pöbelnde Gehässigkeit. Sein Eisenbahnreisender, der die Institution der Ehe, das ganze Verhältnis der Geschlechter zu klar zu durchschauen behauptet, hat in bezug auf sich selbst nicht den rechten Durchblick.

Und der Autor, wie weit hat er sich selbst durchschaut? Wenn ich den Kritiker "misanthropos" auf der Internetseite www.sandammeer.at (von dort stammen übrigens die Tagebuchzitate) richtig verstehe, dann hat der Moralist Tolstoj sich in dieser Erzählung "vor seinem eigenen unbestechlichen Blick der Lächerlichkeit preisgegeben." Vor seinem eigenen Blick, wohlgemerkt. Es ist immerhin die gleiche Zeit, in der Knut Hamsuns "Hunger" erschien - auch diesen tragischen Roman sollte man besser mit einem guten Schuss Ironie lesen, wird im Vorwort der Neuausgabe 1997 empfohlen.

Papier ist geduldig. Wasser predigen, Wein trinken und gehässige Erzählungen darüber schreiben - der Autor, der sich in einem moralischen Doppelsalto gleich zweimal selbst aufhebt, hat meine widerwillige Sympathie. Auch wenn man sich durch die hundert Seiten verquaster Moral nur mit schwää-rer Mühe kämpft. Vielleicht schreibe ich auch mal so etwas, das befreit bestimmt.

Bastelstunde



... ich zeige das mehr für mich selbst, als Meilenstein und vor allem als Wegzeichen: da geht's lang ...
Einen herzlichen Gruß an Pia, die mir mit einem Online-Tagebucheintrag den Titelfloh oder vielmehr Titelhasen ins Ohr setzte.

Hausfrauenlyrik

- irish chain -


sprich du mir
nicht von liebe,
nicht von liebe!
dein pflug geht über
meinen acker, du
trägst meine sorgen
zum gerichtshof,
mit meiner stimme
sprichst du: ich
häng an einer
himmelskette,
bald verliert sich
meine
spur.





- blubbern -
für Svashtara

.
.
.
.
.
.
und wieder
havariert
im schaumbad
der schwamm
ein gelber riesenmanta
deckt den himmel

.
.
.
.
.
.
und doch
wie weich
zu liegen
auf dem
basaltnen bett

Bergauf ...

"Aufsteigend mußt du dich bemühen,
doch ohne Mühe sinkest du.
Der liebe Gott muß immer ziehen,
dem Teufel fällt's von selber zu."

So sprach Wilhelm Busch. Wer je bergwandernd unterwegs war, weiß zwar, dass bergab kein bisschen weniger anstrengend ist als bergauf, es ist nur halt irgendwie anders anstrengend, es geht mehr in die Sehnen und die Bänder und weniger auf Muskeln und Kreislauf. Jedenfalls hat sich in der allgemeinen Meinung festgesetzt, bergauf sei mühevoller als bergab.

Eine Ausnahmeerscheinung ist, wie immer, der Hase: Er ist bergauf am schnellsten. Der ganze Körperbau des Hasen scheint fürs Bergauf-Laufen konzipiert. Dem Hasen dürfte mithin die Tugend leichter fallen als dem Menschen. Folglich taucht er in der christlichen Ikonographie (trotz seines sprichwörtlichen "oversexed"-Images) relativ häufig auf:


Andrea Mantegna: Christus am Ölberg im Garten Gethsemane, ca. 1455

Am linken Bildrand ist der Hase unterwegs, und zwar bergauf. Schaut man genau hin, scheint sogar ein zweiter angeschnitten zu sein; ich kenne das Bild leider nicht im Original.



Mantegna dürfte mit dieser Hasenpräsenz auf Psalm 34 angespielt haben: Suche auch du, Mensch, den Felsen, wenn du verfolgt wirst vom bösen Hunde, dem Dämon. Wenn er sieht, dass der Mensch bergab läuft und die irdischen und Alltags-Dinge im Herzen trägt, so kommt er ihm eifriger nach mit Hilfe verwirrender Gedanken. Wenn er aber sieht, dass er im Willen Gottes läuft und den wahrhaften Felsen, unseren Herrn Jesus Christus, sucht und auf den Gipfel der Tugend steigt, so wendet sich der Hund nach dem Worte Davids. (Psalm 34)
Mit anderen Worten, die wahre Tugend läuft bergauf und entkommt dem Versucher; wer hingegen schon auf dem absteigenden Ast unterwegs ist, fällt weiteren Lastern leicht zum Opfer. Und der Hase ist da keine Ausnahme! Es genügt nämlich nicht, ruhend auf einer Stelle zu verharren, wie es Hasen so gern tun (ich beobachte das bei meinen täglich); man muss rennen, und zwar bergauf - schon wer rastet, der rostet unaufhaltsam! Hier ist der Beweis:



Hasen, die reinweg gar nichts tun, sondern in der Gegend rumglotzend tratschen, womöglich Vorbereitungen zur Unzucht treffen, die sind im nächsten Augenblick eingekesselt zwischen Christus und seinen Häschern (- nicht Häschen - warum hätte ich mich hier beinahe vertippt??), mithin zwischen Laster und Tugend, und wissen vermutlich nicht mehr ein noch aus. Gut, dass wenigstens einer entkommt. Und den nimmt sich denn auch prompt die Madonna zur Brust, denn er hat es verdient:


Tizian: Maria mit Christuskind, der hl. Katharina und Johannes dem Täufer, ca. 1530

Wer immer ihn (den Hasen) auf seinem weiteren Lebenshoppel sichtet - bitte melden! Irgendwann stelle ich hier ein Hasen-Road-Movie zusammen.

Addendum

Meine Tochter hat ein neues Notebook. Öffnen wir den Karton, danach den Innenkarton und daraufhin den Ganzinnenkarton, so fällt uns als erstes ein Zettel mit der Überschrift "Addendum für XY Notebooks" in die Hände. Darauf findet sich in vier Sprachen folgender wichtige Hinweis: "Bevor Sie zum ersten Mal das Notebook einschalten, stellen Sie bitte sicher, dass es mit einer Netzstromquelle (Steckdose) verbunden ist."
Das erinnert mich an mein neues Hobby: Ich sammle Dummsätze. Ein schönes Beispiel stammt leider von meinem Mann. Der Anlass für den Erwerb des neuen Notebooks war nämlich, dass Tochter das alte geschrottet hat. Die Festplatte ist über die Wupper. Aber mein Mann kennt jemanden, der jemanden kennt, der das bestimmt in Ordnung bringen kann. Zu dem wurde das malade Notebook alsbald gebracht und ihm, da gerade nicht zu Hause, bereitgestellt mit einer daranhängenden Notiz, etwa so:
- Der Rechner fährt nicht mehr hoch.
- Das letzte, was die Benutzerin gesehen hat, war der Verabschiedungsbildschirm.
- Festplatte scheint kaputt zu sein, CD-Laufwerk brennt schon länger nicht mehr.
- Auf dem PC befinden sich zahlreiche Dateien.

Haben Sie den Dummsatz erkannt? "Auf dem PC befinden sich zahlreiche Dateien." Nicht zu glauben. Ehrlich?
Ein schönes Beispiel eines Dummsatzes fand ich in Jean-Christophe Grangés "Das Imperium der Wölfe". Die Heldin Anna Heymes hat merkwürdige Zustände; völlig Fremde kommen ihr bekannt vor, dafür erkennt sie ihren eigenen Mann nicht mehr. Sie sucht eine Analytikerin auf. Diese lässt sich den Zustand schildern und stellt als erstes die Frage: "Haben Sie es mal mit einer guten Brille versucht?"
Das ist zwar eigentlich kein richtiger Dummsatz, denn die Analytikerin ist nicht dumm, es ist ein Gemeinsatz. Aber hätte sie ihn nicht aus Gemeinheit, sondern aus Dummheit geäußert (was zwanglos vorstellbar wäre), wäre es ein Dummsatz.
Reich an Dummsätzen sind Kochbücher und Anleitungen, wofür auch immer. Vor vielen Jahren gewann ich bei einer Tombola ein Taschenbuch mit dem Titel "Brot für Genießer". Im Vorwort findet sich folgende geistreiche Bemerkung: "Eine Anleitung, um Wurst auf Brot zu legen, werden Sie hier nicht finden." Was dann wirklich in dem Buch zu finden war, weiß ich nicht mehr, aber diesen Satz habe ich mir gemerkt.
Andere können sich gar nichts merken. Leonard, der bei einem Unfall sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat, macht in "Memento" alle Leute darauf aufmerksam, dass er sie bei der nächsten Begegnung nicht wiedererkennen wird. Aus den Augen, aus dem Sinn. Immerhin bringt er geistreiche Dummsätze zustande. Eine Kellnerin erinnert sich: "Ach ja, wir sind uns schon mal begegnet. Sie sind der mit dem Gedächtnis." Darauf Leonard: "Nein, ich bin der ohne."
(Als ich kürzlich den Film noch mal sah, kam der Satz nicht mehr vor. Vielleicht habe ich ihn mir nur eingebildet und entschuldige mich sicherheitshalber für die Unterstellung.)
Die Krönung aller Dummsätze hebe ich mir bis zum Schluss auf. Es ist der Satz: "Ich habe nicht gewusst, dass der Schwamm nass sein muss." Eigentlich hatte ich gehofft, den Satz nicht erklären zu müssen, und habe deshalb eben damit gegoogelt. Leider gibt es im Netz keinen Verweis auf den Zusammenhang. Also, wohl oder übel: Der Satz stammt aus dem Film "The Green Mile" und fällt im Zusammenhang mit einer Vollstreckung auf dem elektrischen Stuhl. Ich lasse die Einzelheiten mal weg, es ist eine scheußliche Szene, aber der Satz ist vorbildlich für alle Dummsätze.
Wer noch einen hat, möge ihn äußern.

Ewald, der Klimawandel und der Küchenherd samt Dunstabzug

Ewald hat ein wenig über den Klimawandel gelesen (ja! Ewald kann lesen!) und ist nun entschlossen, mit dem Umweltschutz Ernst zu machen. Er will zum Beispiel nur noch Produkte aus der Region kaufen und hat auch der Ewaldine entsprechend Anweisung gegeben. Das Bier aus Motten trinkt er noch, das Kreuzbergbier hingegen ist schon von zu weit weg. Die Zeiten, als er gar Flens trank, sind Geschichte. Außerdem trägt er nur noch Pullover aus Rhönschafwolle. Er raucht auch keinen Tabak mehr, sondern nur noch Gras. Das wächst nämlich im Garten. Sagt er. Ich weiß nicht recht, ob ich das glauben soll.
Auch auf anderen Gebieten kann man etwas für die Umwelt tun. Ewald hat gelesen, dass das Rechtsabbiegen gegenüber dem Linksabbiegen viel Energie einspart, weil man beim Linksabbiegen immer anhalten und mit laufendem Motor warten muss, um den Gegenverkehr durchzulassen. Und das Lossprinten, wenn man eine Lücke entdeckt hat, kostet auch wieder Sprit. Also biegt Ewald nur noch rechts ab** . Er hat sich extra ein Navi-System angeschafft, das ein Rechtsabbiege-Feature bietet. Meinen Einwand, das bedeute möglicherweise lange Umwege, tut Ewald mit einem Achelzucken ab. Umwege muss er sowieso machen wegen der Autobahnbaustelle mitten durch den Ort, außerdem ist hinter seinem Haus eine Umleitung, weil dort Kabel gelegt wird, und vor seinem Haus ist eine, weil dort Gas gelegt wird. Da macht das bisschen Linksabbiege-Vermeidung nicht mehr viel aus.
Aber Ewald ist nicht nur Umweltschützer, er ist auch Endzeitgläubiger. Na ja, ein wenig jedenfalls. Die wahren Endzeitgläubigen haben ja einen Stromgenerator, halten Schafe und horten Wasseraufbereiter. So weit geht Ewald nicht. Er hat nur dafür gesorgt, dass in seinem Haus außer Ölheizung und (für alle Fälle) Gasanschluss auch noch eine richtige Kaminanlage zur Verfügung steht, an die ja nach Bedarf ein Kachelofen, ein Kanonenofen oder ein Holzherd für die Küche angeschlossen werden können.
Und diesen Holzherd hat er nun. Einen echten alten Holzherd für die Küche, ein wahres Schmuckstück, prunkend vor Emaille. Die Ewaldine putzt und poliert auch immer fleißig und schwärzt die Herdplatte mit allen möglichen Mittelchen. Natürlich nur solchen aus der Region.
Leider ist Ewald so furchtbar dumm! Ich sollte es nicht sagen, aber anders kann man es nicht ausdrücken, Ewald ist einfach unbelehrbar! Nur ein Beispiel: Letztes Jahr wollte er ein Gartenhäuschen mit Fundament an seine rückwärtige Grenze bauen und ging zur Gemeindeverwaltung, um nachzufragen, ob er das dürfe. Die Antwort war natürlich Nein. An die Grenze bauen darf Ewald nicht, wo kämen wir da hin! Er hat dann eingewendet, dass die ganze Nachbarschaft Gartenhäuschen an die Grenze gebaut habe. Darauf war die Antwort: "Ja, wissen wir, das sind alles Schwarzbauten!"
Und daraus hat Ewald rein gar nichts gelernt! Als der Schornsteinfeger dieser Tage kam, um am Heizkessel die Emmission zu messen, hat Ewald ihm allen Ernstes den Holzherd gezeigt! Und gefragt, ob er den anschließen dürfe.
Die Antwort war natürlich Nein! Der Holzherd verbraucht Sauerstoff, erklärte der Schornsteinfeger, und Ewald wird ersticken, wenn er den in seiner Küche so einfach betreibt. Die Küche ist zu klein! Da ist nicht genug Luft drin!
"Ich lasse doch die Tür zum Wohnzimmer immer offen!", hat Ewald geantwortet. "Damit noch Wärme rüberkommt, das ist ja der Sinn der Sache! Und das Wohnzimmer ist fast vierzig Quadratmeter groß!"
Ja, aber es ist nun mal eine Tür da, und die kann zugemacht werden! (Schon wieder wurde Ewald eine Tür zum Verhängnis!) Die einzige Lösung ist, den Herd so mit der Tür zu verkabeln, dass er nur bei geöffneter Tür betrieben werden kann. Wie verkabelt man einen Holzherd? Ja, dann soll er sich mal Gedanken machen! Noch besser wäre es ja, den Herd nur bei angekipptem Fenster brennen zu lassen!
Ewald war wie vor den Kopf geschlagen und fragte, was ihm der Holzherd denn bringt, wenn die Wärme zum Fenster rausfliegen soll. Aber da fing sein Unglück erst an, denn der Schornsteinfeger war schon am Dunstabzug. Der Dunstabzug über Ewaldines Elektroherd zieht die Luft ab und bläst sie seitwärts an der Hauswand raus. Auch das kostet Sauerstoff! Gleich morgen muss er den Elektriker bestellen und den Dunstabzug so mit dem Fenster verkabeln lassen, dass er nur läuft, wenn das Fenster angekippt ist.
"Aber", wagte die Ewaldine aus der zweiten Reihe schüchtern einzuwerfen, "wenn ich koche, läuft der Dunstabzug manchmal eine halbe bis ganze Stunde lang!"
Ja, dann muss das Fenster halt eine Stunde lang offen stehen! "Gute Frau", sagte der Schornsteinfegermeister, "bedenken Sie doch, diese Vorschrift existiert nicht ohne Grund! Sie könnten ersticken!"
"Ersticken ist ein schönerer Tod als Erfrieren!", konterte die Ewaldine. Leider bekam der Schornsteinfegermeister das nicht mehr mit, weil er bereits zu Boden gegangen war. Ich glaube, Ewald hat ihn mit einem Geschirrhandtuch niedergeschlagen.
Er ist lange nicht mehr so grob wie früher. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er jetzt Gras aus dem eigenen Garten raucht.


** gelesen im Time-Magazin April 2007 unter dem Titel: "The Global Warning Survival Guide: 51 Things You Can Do To Make A Difference".

Laputa

so: wie die insel aus eisenerz
mit der spitze nach unten schwebend
durch die kraft eines magnetischen felds
oder: eingeschlossen in ein kristallpendel
und schwingend im taktschlag der zeit
oder: ich bin ein drachenflieger am rand
mit dem summenden drachen über mir
im augen-blick des absprungs
auf dem totpunkt
und
dann!

Was nicht sein kann ...

Es gibt so absolute Leute. Wenn man ihnen etwas erzählt, sagen sie: "Das kann nicht sein." Vermutlich meinen sie damit, es widerspräche dem Naturgesetz. Als ob es kein Naturgesetz wäre, dass auch Dinge passieren, die mit selbigen im Widerspruch stehen.
Gerade habe ich "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig gelesen. Da steht die gelähmte Edith auf, wirft die Krücken weg und geht ihrem Verlobten entgegen. Weit kommt sie nicht. Einen Schritt bevor sie ihn erreicht, bricht sie zusammen, und statt ihr entgegenzustürzen und sie aufzufangen, weicht er schreckerfüllt zurück. Grässlich diese Szene.
Aber es geht mir nicht um Existenzielles, sondern um die kleinen Widrigkeiten des Alltags.
Ich hatte mal eine Zwergkaninchenhäsin (darf man das so ausdrücken?), die mir jedes Mal, wenn ich sie im Arm hielt und streichelte, lange Vorträge hielt. Ein ununterbrochenes Flüstern und Murmeln kam aus meiner Armbeuge. Da ich gelernt habe, Kaninchen seien stumme Tiere, fragte ich mich, ob mit ihr etwas nicht stimmt. Ich wandte mich an ein Tierarztforum und legte den Fall dar. Die Antwort war: "Das kann nicht sein, so was machen Kaninchen nicht!"
Ich loggte mich wieder aus und wandte mich an ein Forum von Kaninchenhaltern. Dort bekam ich die Antwort, das sei keine Seltenheit. Eine ganze Anzahl Kaninchenhalter erzählten von dem gleichen Phänomen bei sich zu Hause.
Astrid aus dem Spinnforum erzählt eine ganz ähnliche Geschichte. Bei einem ihrer Spinntreffen wurde darüber diskutiert, welche Schafwolle am besten zum Filzen geeignet sei. Dabei saß eine Fachfrau, die kategorisch erklärte: "Bergschafwolle filzt überhaupt nicht!"
Astrid besitzt ein Stück gefilzte Bergschafwolle, andere Mitglieder des Spinnforums auch. Aber ich möchte wetten, jene Dame würde, selbst wenn man ihr den Filz unter die Nase hielte, beharren: "Bergschafwolle filzt nicht!"
Ich kenne noch mehr Beispiele ... aber lassen wir's.
Die Frage ist halt immer, mit wem stimmt was nicht. Mit dem, der die Naturgesetze oder auch die Gesetze der Wahrscheinlichkeit verteidigt, oder mit dem, der behauptet, ein Gegenbeispiel zu haben und selbst keine Ahnung hat, dass er spinnt? (Dies soll keine Anspielung auf das Spinnforum sein, ich spinne ja selbst.) Heute sprach ich mit einem mir sehr nahe stehenden Menschen über das Phänomen. Der mir sehr nahe stehende Mensch reagierte mit überraschendem Verständnis, weil er das selbst schon erlebt hatte. Er hatte die Analyse eines chemischen Präparats, statt sie selbst durchzuführen, einem Computer übergeben, der eine Fehlerquote von 0,07 Prozent mitbringt. Natürlich war das illegal, aber der mir nahe stehende Mensch stand mit seiner Praktikumsprüfung auf Spitz und Knopf. Die Analyse, die der mit einer Unwahrscheinlichkeit von 0,07 Prozent dummbeutelnde Computer ablieferte, war falsch. 0,07 Prozent hatten zugeschlagen! Kann das denn sein?
Der mir nahe stehende Mensch rasselte durchs Praktikum und fragt sich heute noch, wer da eigentlich einen Fehler gemacht hat - der Computer (siehe Wahrscheinlichkeit), die Prüfer oder er selbst, dass er es überhaupt versucht hat.
"Das kann nicht sein" höre ich nicht gern.
Überhaupt schon rein gar nicht!
Ich kenne, wie gesagt, noch mehr Beispiele. Aber wenn ich die hier erzähle, hält man mich für komplett bekloppt.

Nebenbei: das wider alles Naturgesetz redende Kaninchen habe ich zum Helden einer Geschichte gemacht. Hier.

Blubbern als Kunst!

brille

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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